Schneewittchen 2.0 - im Spiegel der Zeit

Stadttheater Aschaffenburg 24./25.6.2023:

Ballettschule Heeg setzt altes Märchen ins Social-Media Zeitalter

„Handy runter!“ schallt es bei der Generalprobe durch`s Theater und ein riesiges Smartphone schwebt auf die Bühne herab. Die Choreographin und Ballettschulleiterin Sonja Heeg präsentiert eine zeitgenössische Interpretation mit 140 Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Schüler/Innen mit Live-Musik im Stadttheater Aschaffenburg.

Vom „Spieglein an der Wand“ zum allgegenwärtigen „Smartphone in der Hand“:

Eine gleichaltrige Freundin Schneewittchens steigert sich in den Wunsch hinein, die Schönste im ganzen Selfie- und Social-Media-Land sein. Nach jeder Handybefragung, in der Schneewittchen die meisten Follower hat, trachtet die Freundin danach, ihre Konkurrentin möglichst effektiv aus dem Weg zu räumen.

Im Wettstreit um Schoenheit sind daher die Mordversuche (wie im Märchen) geblieben:

Mit eng geschnürten Bändern, vergiftetem Kamm und Apfel: Schließlich geht es auch heute noch um Figur, Haarfarbe und Ernährung.

Unterschiedliche Tanzstile: Im folkloristischen Tanzstil wird das Mordinstrument Seidenband von Kindern zu würgenden Netzen verknüpft, sodann erschlagen Jugendliche nach einem furiosen Jazztanz Schneewittchen mit einem riesigen Kamm. Schließlich bieten im klassischen Spitzentanz Zuckerfeen im Tutu scheinheilig ihre Süßigkeiten und zuletzt den vergifteten Apfel an.

Nach mehreren Fehlversuchen scheint die Attacke gelungen zu sein:

Dramatisch tanzen Krankenschwestern auf der Intensivstation mit halbtoten Schneewittchen-Partnerinnen im Duo.

Immer wieder wird zu furioser Klaviermusik das Riesenhandy befragt: Im gespiegelten Duett von zwei jungen Erwachsenen getanzt, die Schneewittchen und ihre followersüchtige Freundin darstellerisch überzeugend interpretieren.

Musik von 7-köpfigem Ensemble: Alles live gespielt von Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt:

Zu jeder Szene charakteristisch passend ausgewählt wechselten sich Klassische Musik (instrumental und Gesang), Popsongs, solistische Einlagen und Ensemblemusik ab. Ligeti und Tschaikowski, Dvorak und Miley Cyrus konnte man so auch in Folge hören!

Dabei ein großes Lob an alle DarstellerInnen: Zu Livemusik zu tanzen erfordert eine weitaus größere Konzentration als zu Musik aus der Konserve. Die TänzerInnen müssen ihre Schritte sehr sicher können, um sich an die durchaus auch mal im Tempo leicht anders gespielte Livemusik anpassen zu können. Das gelang allen meisterhaft, Schrittsicherheit und darstellerischer Ausdruck waren stets klar zu sehen. Jede Bewegung unterstrich die jeweilige Handlung und Musik.

Das Publikum der zwei komplett ausverkauften Vorstellungen bedankte sich begeistert mit standing ovations für den tänzerischen und musikalischen Genuss und manch einer ging mit tränenfeuchten Augen aus dem Theater!

Fotos: Jenny Brandt photoworx

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